Bauernproteste Aachen

Hinterm Traktor bleibt viel Zeit zum Nachdenken

Published On: 09/01/2024

Sind wir solidarisch? Solidarisch mit den Bauern? Die wollen die Kürzungen der Bundesregierung nicht hinnehmen und sperren Straßen, Zufahrten zu Autobahnen, fahren mit 5 km/h über Umgehungsstraßen und legen den Verkehr fast lahm. Auf jeden Fall dauerte am Montag die Fahrt zum Bestimmungsort viel länger als sonst. Da blieb viel Zeit, um nachzudenken.

 

Ein Kommentar von Conny Stenzel-Zenner

Bin ich solidarisch mit den Bauern? Die bekommen doch genug Subventionen aus Brüssel und Berlin. Jetzt geht es um Steuervergünstigungen für Agrarunternehmen. Sollen die Bauern noch Vergünstigungen erhalten oder nicht? Welche Vergünstigungen haben denn andere Selbstständige? Zum Beispiel die Frauen, die das Putzmittel Jemako vertreiben? Oder die, die abends Tupperware an die Frau bringen? Oder die, die als mobile Juwelierin Pierre Lang vertreten? Geht es denen genauso gut wie den Bauern? Geht es den Bauern eigentlich gut?

Hört man sie reden, sind sie sich einig: „Nein. Uns geht es nicht gut. Den belgischen Bauern geht es viel besser. Die müssen nicht so viel Spritgeld zahlen. Und die unterstehen doch auch der EU. Warum können nicht alle Bauern gleich behandelt werden?“

Da frage ich mich: Geht es den deutschen Bauern wirklich so schlecht? Ich merke: Es gibt ganz schön viele Fragen, die ich gar nicht beantworten kann. Aber ohne die Antworten kann ich mir keine Meinung bilden.

Vor zwei Monaten habe ich in Panama eine riesige Solidarität erlebt. Von Einheimischen, von Ausländern, da waren alle auf der Seite der Demonstrierenden, am Ende sogar der Präsident.

Warum haben Einheimischen ab dem 20. Oktober wochenlang die einzige Straße blockiert, die durch Panama führt? Weil sich der demokratisch gewählte Präsident mit 375 Millionen Dollar um den Finger hat wickeln lassen und einem kanadischen Konzern die Konzession für den Betrieb der größten Tagebaumine Zentralamerikas verlängert hat. Mindestens 20 Jahre sollte Kupfer im Tagebau abgebaut werden können. Jedes Jahr sollten wieder 375 Millionen Dollar fließen.

Diese Vereinbarung versprach Panama erhebliche wirtschaftliche Gewinne. Aber das wollten die Menschen nicht. Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Indigene warnten vor Umweltverschmutzung und Risiken für die Biodiversität und kritisierten einen „Ausverkauf des Vaterlandes“. Die Regierung von Präsident Laurentino Cortizo verteidigte die Entscheidung, weil die Mine Cobre Panamá fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes ausmacht und fast 10.000 Menschen beschäftigt.

 

Demonstration gegen den Kupfertagebau in Panama (Foto: Conny Stenzel-Zenner)

Der Präsident gab Ende November nach, die Kanadier dürfen die Mine nicht weiter betreiben. Die Menschen jubelten. Sie hatten Blockaden errichtet, Autos kamen nicht mehr von Ost nach West. Lkws konnten keine Lebensmittel aus Panama-City liefern, Container mit Chiquita-Bananen kamen nicht am Panama-Kanal an. Es ging einfach nichts mehr. Aber alle waren solidarisch.

Da wollte keiner die Blockaden aufheben. Alle hatten plötzlich ein Ziel und das hatte nichts mit Geld zu tun. Das Ziel war, den „Ausverkauf des Vaterlandes“ zu stoppen und die Natur zu schützen.

Irgendwie ist das anders. Obwohl ich in Panama nicht reisen konnte, weil die einzige Straße blockiert war, stand ich auf der Seite der Demonstranten.

 

Titelbild: Bauernproteste am Montag in Aachen (Foto: Michael Klarmann)