Campus West: Großprojekt und fehlendes Bindeglied
Seit Jahren in Planung, inzwischen im Bau: Auf den ehemaligen Flächen des Güterbahnhofs Aachen West entsteht mit dem Campus West ein neuer Raum für Forschung. Wie schreitet das Projekt voran?
Von Calvin Meyer
Die Idee
Der Campus West stellt einen Teil des allgemeinen Ausbaus der RWTH dar. Aachens Status als Forschungsstandort ist auf eine Flächenvergrößerung angewiesen. Zusammen mit dem Campus Melaten, auf dem ebenfalls weiterhin neue Gebäude entstehen, wird der Campus West für tausende Arbeitsplätze in Aachen sorgen. Dabei steht insbesondere die Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft im Vordergrund.
Es sollen Zentren für Forschungscluster errichtet werden, in denen gemeinsame Projekte der Hochschule und ihrer industriellen Partner Platz finden. Aufgrund seiner Lage soll der Campus West außerdem die räumlich getrennten Gebiete Campus Mitte und Campus Melaten verbinden. Dabei soll er aber mehr als ein bloßes Verbindungsstück werden: Der Campus West soll ein eigenes Quartier darstellen, mit einem eigenen Charakter.
Die Fläche
Der Standort ist die Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs Aachen West. Statt ein neues Gebiet zu erschließen, wird hier also eine bereits zuvor genutzte und nun brachliegende Fläche umfunktioniert. Auf 32,5 Hektar Fläche entsteht ein modernes Quartier, welches um etwa ein Viertel kleiner ist als der angrenzende Campus Melaten.
Die Lage auf einem Streifen zwischen den Schienen und der Süsterfeldstraße ist besonders, weil damit alle Teile des RWTH Campus verbunden werden. Deshalb sollen sich hier auch Forschungscluster ansiedeln, die themenverwandt mit bestehenden Gruppen in der unmittelbaren Nachbarschaft sind.
Der Bauplan
Der Campus West soll einen modernen und zukunftsorientierten Charakter vermitteln. Neue Gebäude werden von Grünflächen umringt sein. Sechsstöckige, lichtdurchflutete Bauten mit teils gläsernen Fassaden werden den größten Teil des Plangebietes abdecken, dominiert von einigen höheren Gebäuden mit bis zu zwölf Stockwerken. Jedes dieser Hochhäuser ist jeweils einem Forschungscluster zugeordnet und dient über seine Funktion als Arbeitsfläche hinaus als Landmarke für seinen Bereich. Parkhäuser und Gewerbeflächen sind ebenfalls vorgesehen.
Eine breite Durchgangsstraße, das Campusband, ist die Hauptschlagader des Quartiers. Die geschwungene Straße, umrandet von breiten Fußgänger- und Fahrradwegen und Grünflächen, soll eine wichtige neue Durchgangsroute in Aachens Nordwesten werden. Am nördlichen Ende wird sie über eine Brücke über die Schienen geleitet und mit dem Campus Melaten verbunden. Im Süden endet sie am Kongressplatz.
Dieser neue Platz, geplant an der Kreuzung von Süsterfeldstraße, Kühlwetterstraße und zukünftigem Campusband, soll einen „Eingang” in das Quartier darstellen und als Aufenthaltsraum zur Verfügung stehen. Angrenzend soll die „Innovation-Factory“ zum Wahrzeichen des Standorts werden: Dieser Komplex ist das Kernstück des Campus und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung. Teil des Komplexes soll der Campus Tower werden, mit 70 Metern künftig eines der höchsten Gebäude der Stadt.
Bisheriger Verlauf
Die Pläne für den Campus West stammen von 2005. Der damalige Grundplan enthielt bereits sämtliche Kernelemente des heutigen Konzeptes. Die Stadt zeigte Interesse an dem Vorhaben und kaufte 2009 das dafür vorgesehene Gelände. In der Zwischenzeit hatte eine Studie 2008 geprüft, ob die geplanten Hochhäuser im Sinne des Stadtbildes verträglich wären. Diesen Test bestand der Plan.
2012 wurde der Campus West in den Masterplan der Stadt Aachen aufgenommen. Es dauerte jedoch einige Jahre, ehe die Realisierung ins Rollen kam. Jahrelange Diskussionen um den Flächennutzungsplan AACHEN 2030 sorgten unter anderem für Verzögerungen. 2018 wurde die Fläche Eigentum der RWTH. 2019 wurde der Originalplan von 2005 überarbeitet.
Diese neue Fassung konnte angegangen werden, als der Flächennutzungsplan AACHEN 2030 Anfang 2021 durch die Bezirksregierung Köln genehmigt wurde. Der Bau des Campus West wurde mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans 923 im Herbst 2021 bestätigt.
Der aktuelle Stand
Bauarbeiten begannen daraufhin zügig. Im Dezember 2021 begannen Erschließungsarbeiten, die in den Folgejahren fortgesetzt wurden. Aus dieser Zeit stammt die Initiative „Internet of Construction”, ein gemeinsames Projekt der RWTH und ihrer Partner. Damit sollte die Kommunikation vereinfacht und das Vorhaben beschleunigt werden.

Den Anfang macht der Neubau des Instituts für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen (Quelle: Henn GmbH).
Der erste Baustein auf dem neuen Campus West wird das Institut für Eisenhüttenkunde. Das neue Gebäude des Institutes entsteht am Kongressplatz. Im August 2023 gewann der Entwurf der Firma Henn den dafür ausgeschriebenen Architekturwettbewerb. Ein multifunktionales Gebäude mit Glasfassade, energiesparender Bauweise und 5.000 Quadratmetern Fläche soll das neue Zuhause des Instituts werden. Henn ist auch an der Erweiterung der Uniklinik beteiligt.
In welchem Zeitrahmen das Gebäude oder der gesamte Campus fertiggestellt werden, ist ungewiss. Das Projekt Campus West wurde von Beginn an langfristig geplant und eine ursprünglich gedachte Fertigstellung bis 2030 ist in Anbetracht der langen Verzögerungen unmöglich geworden. Die ersten Gebäude werden jedoch schon nutzbar sein, ehe bei anderen überhaupt mit dem Bau begonnen wurde, ähnlich wie am Campus Melaten – das Quartier wird sich also Schritt für Schritt entwickeln.
Titelbild: Überblick der Planung für den neuen Campus West (Quelle: RKW Architektur +).