Eltern und Beschäftigte machen auf Kita-Notlage aufmerksam
Die Betreuungslage in den Aachener Kitas bleibt angespannt. Eltern und Beschäftigte demonstrieren – Stadt und private Träger setzen auf das „Aachener Modell“. Doch die Landesregierung lässt sich Zeit mit einer Entscheidung.
Von Alexander Plitsch
Im Rahmen einer Recherche-Kooperation mit CORRECTIV und anderen Medienpartnern haben wir gezeigt, wie schlecht die Betreuungslage in deutschen Kitas im vergangenen Kita-Jahr 2022/23 war. Allein in Aachen mussten Kitas in über 900 Fällen ihr Betreuungsangebot reduzieren, Gruppen oder ganze Einrichtungen schließen.
Und seitdem? Konnten verantwortliche Akteure bereits reagieren? Ist die Situation im aktuellen Kita-Jahr besser?
Die kurze Antwort lautet wohl: Nein. Auch wenn es gar nicht einfach ist, sich einen aktuellen Überblick zu verschaffen. Die Betreuungsausfälle werden nämlich nicht auf städtischer Ebene erfasst, sondern müssen von den betroffenen Einrichtungen direkt an den Landschaftsverband Rheinland gemeldet werden. Allerdings: „Ob das immer so erfolgt, ist nicht nachprüfbar”, teilt die Stadt Aachen auf Nachfrage mit.
Derzeit geht die Stadt davon aus, dass rund 30 Prozent der Einrichtungen von Einschränkungen beim Betreuungsangebot betroffen sind. Zu einer ähnlichen Schätzung kommt Heinz Zohren, Geschäftsführer von pro futura, einem Träger katholischer Kitas in der Region. Besonders betroffen seien die kleineren, zweizügigen Kitas.
„Die Lösung liegt in Düsseldorf“
Dass die Situation nach wie vor angespannt ist, ganz besonders in der aktuellen Erkältungszeit, bestätigt auch Martina Schwartz vom Elternbeirat der Aachener Kitas im Gespräch mit yonu. Bei der jüngsten Sitzung des Kinder- und Jugendausschusses demonstrierten Eltern gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi, um auf die Notlage in den Kitas aufmerksam zu machen.
„Die Kitas sind nicht am Limit – sie sind schon lange darüber hinaus”, lautet die Einschätzung von Mathias Dopatka, Gewerkschaftssekretär von Verdi in Aachen. „Zur traurigen Wahrheit gehört, dass die Situation sich Jahr für Jahr mit Ansage verschlimmert.”
Um die Situation zu verbessern, sehen die lokalen Akteure vor allem das Land NRW in der Pflicht. „Die Kommunen sind hilflos, die Lösung liegt in Düsseldorf”, sagt Heinz Zohren von pro futura. Insgesamt brauche der gesamte soziale Bereich mehr Wertschätzung von der Gesellschaft: „In der Pandemie galten die Kitas noch als systemrelevant. Davon ist aktuell nichts mehr zu spüren.”
Auch die Stadt Aachen baut insbesondere auf eine Lösung, die von der Landesregierung abhängig ist. Unter dem Namen „Aachener Modell“ liegt Familienministerin Josefine Paul ein Vorschlag vor, einen beruflichen Quereinstieg in die Kitas zu ermöglichen. Allerdings gibt es diesen Vorschlag bereits seit Anfang dieses Jahres. Man sei weiterhin optimistisch und führe gute, konstruktive Gespräche mit dem Land, teilt die Stadt Aachen mit. Konkret in die Umsetzung geht das Modell also vermutlich nicht so bald.
Ein Weihnachtsbaum mit Eltern-Wünschen
Doch was kann vor Ort in der Stadt angepackt werden, um die Lage zu verbessern – ohne erst auf Zustimmung durch die Landesregierung warten zu müssen? Darüber wollen wir in den kommenden Wochen mit Verantwortlichen in der Region sprechen.
Aus Sicht der Beschäftigten wünscht sich Mathias Dopatka von Verdi vor allem mehr Ehrlichkeit und Offenheit in der Diskussion. Zu lange habe man die Augen verschlossen und die Situation geleugnet. „Wenn die Personalsituation angespannt ist, muss gehandelt werden. Dies kann zu Gruppenschließungen, zur Verkürzung der Betreuungszeit oder sogar zu Einrichtungsschließungen führen. Dies ist für die Eltern eine große Herausforderung. Jedoch sind die Alternativen schlimmer. Wenn man wartet, bis der Personalstamm komplett in sich zusammenbricht, werden die Flurschäden größer und langfristiger.”
Und die Wünsche der Eltern? Die hängen ab dieser Woche im Weihnachtsbaum. Die Initiative „Eltern am Limit“ hat Wünsche, Ideen und Forderungen der Kita-Eltern gesammelt und aufgehängt. Dieser besondere Baum wird im Laufe dieser Woche an Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen übergeben.
Foto: Jens Braune