Bürgerrat Bildung

🔊 Politik per Schwarmintelligenz

Published On: 23/10/2023

Ende Oktober startet Aachens erster Bürger*innenrat. An fünf Tagen wird über die Zukunft der Einkaufsstadt Aachen diskutiert. Empfehlungen werden anschließend an den Stadtrat übergeben. 

 

Von Alexander Plitsch

“So muss sich Demokratie anfühlen”, fasst NDR-Journalist Bastian Berbner seine Eindrücke aus Irlands Bürgerrat in einem Podcast zusammen. Per Los ausgewählte Menschen aus dem katholisch-konservativen Irland diskutieren die umstrittene Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe – und legen mit ihrem Veto den Grundstein für das “Yes” im späteren Referendum.

Das war 2015. Seitdem hat sich die Idee der Bürgerräte vielerorts verbreitet, auch in Deutschland. Erst im September hat der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ seine Arbeit aufgenommen. Er ist die erste Losversammlung dieser Art, die direkt vom Bundestag beauftragt wurde.

Erfahrung gibt es mit den gelosten Gremien bisher vor allem auf kommunaler Ebene. Auch in Aachen bildete sich in den vergangenen Jahren eine Initiative, um einen Bürgerrat auf die Beine zu stellen. Erfolgreich, denn im März 2022 entschied der Stadtrat, den “Bürger*innenrat für Aachen” einzurichten – als ständiges Gremium, nicht als einmalige Aktion.

Erstes Thema: Einkaufen in Aachen

Nach längerer Vorbereitung ist es jetzt soweit: Am Samstag, 28. Oktober, kommt der erste Bürger*innenrat zusammen. Die Fragestellung lautet: “Wie kann Aachens Innenstadt wieder zu einem attraktiven Einkaufsziel werden?”

Albert Halfmann, der in der Stadtverwaltung für das neue Gremium zuständig ist, zeigt sich zufrieden mit dem Verfahren zur Auswahl der 56 Teilnehmenden: 3500 Personen habe man ausgelost und angeschrieben, die positive Rückmeldequote von über zehn Prozent könne sich sehen lassen. “Ein Algorithmus stellt sicher, dass ein Querschnitt der Stadtgesellschaft vertreten ist”, erklärt Halfmann. “Jetzt hoffen wir, dass es nur wenige kurzfristige Absagen gibt.”

Immerhin an fünf Tagen trifft sich der Bürger*innenrat. Zum Auftakt ist ein Stadtspaziergang mit anschließendem Empfang durch die Oberbürgermeisterin geplant. “Kennenlernen, den Status quo in der Innenstadt erleben und auch emotional ins Thema finden”, beschreibt Albert Halfmann das Ziel für den ersten Tag.

Bürgerdialog bei Spaziergang durch die östliche Innenstadt (Foto: Stadt Aachen)

 

Es folgen zwei Arbeitswochenenden im November, unter anderem aus dem Methoden-Baukasten der Zukunftswerkstatt, des Design Thinking und der Dynamic Facilitation. Die Moderation wurde an ein externes Unternehmen vergeben. Albert Halfmann: “Wir wollen den Prozess möglichst wenig beeinflussen und vertrauen auf die Teilnehmenden und die Moderation.”

“Blinde Flecken” vermeiden

Ideen und Vorschläge des Bürger*innenrats werden dem Stadtrat übergeben, der dann entscheidet, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen ist sich sicher, dass die “Schwarmintelligenz” des neuen Gremiums die politische Arbeit im Stadtrat bereichern werde und zugleich helfen könne, “blinde Flecken” zu vermeiden.

Hier kannst du dir einen kurzen Audiobeitrag mit Sibylle Keupen zum neuen Bürger*innenrat anhören:

 

Das Titelbild zeigt eine Sitzung des bundesweiten Bürgerrates “Bildung und Lernen” (Fotograf: Christoph Soeder)