Aachen in Zahlen: 756 Heimplätze sind zu wenig

Published On: 15/01/2024

„Es droht ein Kollaps des Systems der Jugendhilfe mit nicht absehbaren Folgen.” Mit diesen deutlichen Worten warnte der zuständige Fachbereich der Aachener Stadtverwaltung in einer Sitzung des Kinder- und Jugendausschusses.

Von Alexander Plitsch

18 anerkannte Träger der freien Jugendhilfe halten in Aachen 756 Plätze in Heimen und Wohngruppen vor. Doch die Plätze reichen nicht, schreibt die Stadtverwaltung in ihrer Vorlage, die in der jüngsten Sitzung des Kinder- und Jugendausschusses im Dezember diskutiert wurde.

Hinzu komme der Fachkräftemangel, durch den immer wieder Wohngruppen kurz- oder mittelfristig schließen und Kinder/Jugendliche auf andere Gruppen umverteilt werden müssten.

Weiterhin wird geschildert, dass eine steigende Intensität der Betreuung zu beobachten sei. Auch der besonders große Hilfebedarf von geflüchteten Familien wird erwähnt.

„Äußerst besorgniserregend”

Als Folgen dieser Entwicklung nennt die Verwaltung:

  • Für Kinder und Jugendliche, die aus kindeswohlgefährdenden Situationen herausgenommen werden müssen, seien keine Plätze zur Sofortunterbringung vorhanden.
  • Kinder und Jugendliche mit multiplen Störungen des Sozialverhaltens, Gewalttätigkeit usw. könnten nicht oder nur zu sehr hohen Kosten untergebracht werden.
  • Teilweise müsse bundesweit nach geeigneten Heimen oder Projektstellen gesucht werden, oft mit bis zu hundert Anfragen pro Fall bei verschiedenen Trägern.
  • Durch den Platzmangel müssten Jugendliche immer häufiger in angemieteten Hotelzimmern untergebracht und im nötigsten Umfang ambulant begleitet werden.
  • In Jugendämtern der StädteRegion sei es bereits dazu gekommen, dass Kinder und Jugendliche über Nacht im Büro oder im privaten Umfeld von Mitarbeitenden betreut werden mussten, da keine akute Unterbringungsmöglichkeit gefunden werden konnte.

Diese Entwicklungen nennt die Verwaltung „äußerst besorgniserregend” und kommt zum Fazit: „Es droht ein Kollaps des Systems der Jugendhilfe mit nicht absehbaren Folgen.”

Wie kann die Situation verbessert werden?

In ihren Reaktionen auf die Vorlage der Verwaltung zeigten sich die Fachpolitiker im Kinder- und Jugendausschuss besorgt und ratlos angesichts der schwierigen Situation in der Jugendhilfe. „Die Kommunalpolitik kann lediglich ihre eigenen Kommunikationskanäle in Richtung Landes- und Bundesregierung nutzen“, bedauerte Peter Tillmanns (CDU) die eingeschränkten Möglichkeiten des Ausschusses.

Genau darin sieht Horst Kreutz, Geschäftsführer der evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand, das Hauptproblem. Es gebe verschiedene Akteure auf Landes- und Bundesebene – aber niemand fühle sich wirklich verantwortlich für die Jugendhilfe: „Wir wissen nicht, an wen wir uns mit unseren Anliegen wenden können.”

Der Fachbereich der Verwaltung wünscht sich ein koordiniertes Handeln von Politik, freien Jugendhilfeträgern und der öffentlichen Jugendhilfe.

Ganz konkret wird vorgeschlagen, in den verschiedenen Gremien Druck auf die Landesjugendämter auszuüben, damit diese ihre Standards für die Bewertung von Immobilien anpassen. Durch die bislang sehr hohen Standards in Kombination mit dem schwierigen Aachener Immobilienmarkt sei es kaum möglich, neue Immobilien zu nutzen.

Zudem prüfe die Stadt Aachen, ob geeignete städtische Immobilien für die Unterbringung von jungen Menschen zur Verfügung stehen und den stationären Jugendhilfeträgern zur Nutzung angeboten werden können.

Zusätzlich strebt die Verwaltung Kooperationsgespräche mit den ortsnahen Hochschulen an, um mit einem Ausbau passender Ausbildungsplätze dem Fachkräftemangel zu begegnen.