„Auszeichnung und Ansporn“: Der Karlspreis für Oberrabiner Pinchas Goldschmidt
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften Europas erhalten den Karlspreis 2024 – ein politisches Signal und eine Auszeichnung für einen Mann, der sich für den Frieden einsetzt und dafür ins Exil gegangen ist.
Von Alexander Plitsch
Im Januar hat das Karlspreisdirektorium mitgeteilt, dass der Karlspreis 2024 an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften in Europa verliehen wird. Gestern trug eine Aachener Delegation dem Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz die Auszeichnung bei einem Besuch in München offiziell an.
„Wir ergreifen mit diesem Karlspreis Partei für das Judentum in Europa”, sagte Jürgen Linden, Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums. „Und wir hoffen, dass die Verleihung selbst nicht nur ein festlicher Akt wird, sondern dass es in der Tat eine Demonstration wird, vor allem ein solidarischer Akt, an dem viele politische Verantwortungsträger teilnehmen, aber auch viele Bürger und Bürgerinnen dahinter stehen.“
Pinchas Goldschmidt sagte, die Auszeichnung sei eine sehr hohe Ehre und komme zur richtigen Zeit angesichts der Angriffe auf die jüdische Gemeinde in ganz Europa. Der Karlspreis sei auch ein Ansporn, „noch entschiedener unsere Freiheit und europäischen Werte zu verteidigen und jüdisches Leben in Europa nachhaltig zu sichern“.
Eindrücke vom Termin in München gibt es hier in einem Beitrag des WDR.

Bürgermeisterin Margrethe Schmeer und Jürgen Linden mit dem designierten Karlspreisträger Pinchas Goldschmidt (Foto: Stadt Aachen / Harald Krömer)
Für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte
Das Karlspreisdirektorium will laut Begründung mit der Auszeichnung 2024 das Signal setzen, „dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf. Jüdisches Leben ist ein wichtiger Teil der europäischen Geschichte und Gegenwart – jetzt und in Zukunft.“
Neben den jüdischen Gemeinschaften in Europa hat sich das Direktorium dafür entschieden, einen Mann persönlich zu würdigen: Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Begründet wird dies mit dessen Wirken „für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte, für Toleranz, Pluralismus und Verständigung, und in Anerkennung seines bedeutenden Engagements für den interreligiösen und interkulturellen Dialog“.
Pinchas Goldschmidt wurde 1963 in Zürich geboren und studierte unter anderem in Chicago und Jerusalem. Er ist verheiratet und hat sieben Kinder. 1987 erhielt er die Ordination als Rabbiner.
Als Gemeinderabbiner in Moskau bemühte sich Goldschmidt um den Aufbau jüdischer Gemeinschaften im neuen Russland. 1993 wurde er zum Oberrabbiner von Moskau gewählt. Immer wieder war er mit Schwierigkeiten und Widerständen konfrontiert – 2005 wurde ihm nach einem Aufenthalt in Israel sogar die Wiedereinreise verweigert. Erst nach monatelangen Protesten seiner Gemeinde konnte Goldschmidt nach Moskau zurückkehren.
2011 wurde Pinchas Goldschmidt zum Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz gewählt, die ihren Sitz in München hat. In diesem Amt setzte er sich immer wieder für den interreligiösen und interkulturellen Austausch ein.
Seit 2022 im Exil
Goldschmidt widersetzte sich dem Druck der russischen Regierung, den Angriffskrieg auf die Ukraine zu unterstützen. Im März 2022 begab er sich deshalb ins Exil. Das russische Justizministerium listete ihn daraufhin als „ausländischen Agenten“, was Goldschmidt israelischen Medien zufolge damit kommentierte, er sei „stolz darauf, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und sich in die Liste der Menschen einzureihen, die sich diesem schrecklichen Krieg widersetzen, der Hunderttausende das Leben gekostet hat“.
Das Erstarken der AfD und anderer rechter Parteien in Europa nannte Pinchas Goldschmidt in einem Interview mit der Deutschen Welle im vergangenen Jahr eine Schande und beklagte: „Ihr Populismus steht ja letztlich nie für die Lösung irgendwelcher Probleme, sondern macht sie nur noch schlimmer.“
Weitere Details zum Leben, Wirken und zu Äußerungen von Pinchas Goldschmidt stehen in der ausführlichen Begründung des Karlspreisdirektoriums zur Preisverleihung.
Die Verleihung des Karlspreises findet am 9. Mai im Krönungssaal des Aachener Rathauses statt. Neben der offiziellen Zeremonie im Krönungssaal des Aachener Rathauses soll ein Friedensfest und Fest des Dialogs gefeiert werden. Ausdrücklich und herzlich eingeladen sind Menschen aller Glaubensrichtungen. Pinchas Goldschmidt wird in Begleitung seiner Frau und Teilen seiner Familie bereits am Vortag der Preisverleihung ab dem frühen Nachmittag in Aachen sein. Zum Programm gehören eine Begegnung mit Studierenden an der RWTH und das Europa-Forum der Karlspreisstiftung. Am Abend wird Goldschmidt nach einer Besichtigung des Aachener Doms das Karlspreis-Open-Air besuchen.
Titelfoto: Stadt Aachen / Harald Krömer