Wasserstoff in Aachen

Mit Wasserstoff Richtung Klimaneutralität

Published On: 11/10/2024

Die Stadt Aachen setzt auch auf Wasserstoff, um klimaneutral zu werden. Die nötige Infrastruktur soll massiv ausgebaut werden. Welches Potential steckt im Wasserstoff? Hintergrundwissen gibt es hier.

Von Calvin Meyer

„Um die Klimaneutralität zu erreichen, muss das gesamte Energiesystem grundlegend transformiert und die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein zur Vollendung der Energiewende.” So steht es im Leitfaden der Stadt Aachen zum Thema Wasserstoff. Doch was bedeutet das? Wie kann Wasserstoff eingesetzt werden? Und wie lässt sich das praktisch umsetzen?

Wasserstoff kompakt erklärt

Wasserstoff ist das erste chemische Element im Periodensystem. Es ist, zusammen mit Sauerstoff, einer der beiden Bestandteile von Wasser und tritt am häufigsten in dieser Form auf der Erde auf. Für die Wasserstoffindustrie ist jedoch molekularer Wasserstoff relevant – ein farbloses, leicht entflammbares Gas.

In dieser Form findet Wasserstoff vielseitigen Nutzen. Eine für die Energiewirtschaft besonders relevante Eigenschaft ist dabei, dass Wasserstoff ein extrem effizienter Energiespeicher ist. Selbst moderne Batterien können Strom nicht ohne größere Verluste langfristig speichern. Wasserstoff dagegen kann Energie über Monate speichern, ohne dass ein großer Teil davon verloren geht.

Damit ist Wasserstoff eine mögliche Antwort auf das Problem der Wetterabhängigkeit vieler erneuerbarer Energien. Es scheint eben nicht immer die Sonne und es ist auch nicht immer windig. Wasserstoff kann überschüssige Energie effizient speichern, sodass der Energieüberschuss aus ertragreichen Monaten auch ein halbes Jahr später noch genutzt werden kann. So kann Wasserstoff die aktuell größte Schwäche erneuerbarer Energien ausschalten.

Wichtig ist, dass es sich dabei um „grünen Wasserstoff“ handelt. Es gibt mehrere Methoden zur Produktion des Gases, von denen die wirtschaftlichsten auch Schadstoffe ausstoßen. Grüner Wasserstoff ist teurer, wird aber mithilfe von erneuerbarem Strom produziert. Dabei wird Wasser in seine Bestandteile geteilt: Wasserstoff wird weiterverwendet und Sauerstoff in die Atmosphäre abgegeben.

Wasserstoff und erneuerbare Energiequellen wirken also wechselseitig. Letztere sind nötig, um Wasserstoff umweltfreundlich zu produzieren und werden umgekehrt mithilfe von Wasserstoff effizienter. Ein paralleler Ausbau hätte also eine entscheidende Wirkung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Allerdings kann das Ganze noch effizienter gemacht werden, wenn Wege der kostengünstigen grünen Wasserstoffproduktion erforscht werden.

Wasserstoff in Aachen

Aachen kommt zugute, dass die RWTH einer der größten technischen Forschungsstandorte Europas ist – auch beim Thema Wasserstoff. Verschiedene Firmen und die Hochschule haben bereits Projekte auf dem Gebiet der Wasserstoffnutzung in die Wege geleitet. Aachen kann also auf bestehende Expertise setzen.

Dies ist auch wichtig, denn die Ziele sind ambitioniert. In einer Studie hat die Stadt zwei verschiedene Szenarien erforscht. In einem werden nahezu alle derzeit mit fossilen Brennstoffen betriebenen Anwendungen auf Wasserstoff umgestellt, im anderen nur diejenigen, bei denen eine Elektrifizierung nicht wirtschaftlich und/oder technisch machbar ist.

Das Ergebnis ist, dass der Wasserstoffbedarf im zweiten Szenario auf das fast 500-fache des derzeitigen Verbrauchs anwächst, im ersten Szenario sogar auf das knapp 1.000-fache. Insbesondere Industrie, Gewerbe und Verkehr zeigen in beiden Szenarien einen hohen prognostizierten Verbrauch. Folglich ist die Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur in diesen Bereichen besonders wichtig.

Aachen wird den Bedarf allerdings nicht durch eigene Produktion allein stemmen können. Der Anschluss an Transportnetzwerke ist notwendig, sodass Wasserstoff in ländlichen Gebieten produziert und dann in Ballungsgebiete wie Aachen geliefert werden kann. Der geringe Energieverlust von Wasserstoff macht dieses Vorhaben wirtschaftlicher. Außerdem kann der Transport über lange Strecken über das bestehende Netzwerk an Erdgaspipelines erfolgen, womit Kosten um ein Vielfaches reduziert würden.

Hydrogen Hub Aachen

Für die Stadt Aachen ist der Einsatz von Wasserstoff im Rahmen des Ziels, bis 2030 klimaneutral zu werden, beschlossene Sache. Tatsächlich sieht man sich einem gewissen Zeitdruck ausgesetzt – nicht nur, um die selbst gesetzten Klimaziele einzuhalten. Die Rolle von Wasserstoff in der Wirtschaft wird in den nächsten Jahren enorm wachsen. Wenn Aachen die Infrastruktur nicht zeitnah ausbaut, werden Firmen in andere Regionen abwandern, die solche Strukturen zur Verfügung stellen.

Der Status als Forschungsstandort und die enge Kooperation mit Nachbarkommunen, auch grenzübergreifend, sind jedoch große Vorteile Aachens auf diesem Weg. Um die Umstände optimal ausnutzen zu können, wurde ein Projekt aus drei Schritten eingeleitet. Die erste dieser Phasen ist bereits angelaufen.

2021 wurde der Hydrogen Hub Aachen gegründet, eine gemeinsame Initiative der Stadt Aachen, den Nachbarkreisen und verschiedenen Akteuren aus Industrie und Wissenschaft. Der Hub soll dabei helfen, Projekte, Förderprogramme und Technik in Partnerschaft zu entwickeln. Zudem soll über den Hub nicht nur die Kommunikation untereinander geplant und erweitert werden, sondern auch die mit den Bürgern.

In der Pilotphase laufen Projekte noch weitgehend auf experimenteller Ebene. Dennoch gibt es bereits klare Vorhaben, etwa eine kurzfristige Einführung von Wasserstoff im Verkehrsbereich. Wasserstoffzellen als Kraftstoff sind im Individualverkehr zwar eher ungeeignet, dagegen sehr effizient für schwere Nutzfahrzeuge. Die Anschaffung von Bussen und LKWs mit Wasserstoffantrieb stellt die erste große praktische Umsetzung der Vorhaben dar.

Langfristig bleibt es nicht dabei: Wasserstoff soll in allen Bereichen der Industrie eingesetzt werden. Die Umsetzung erfolgt nicht schrittweise, denn sobald die Netzwerke für Transport, Lagerung und Produktion aufgebaut sind, kann der Anschluss verschiedener Gewerbe parallel in Angriff genommen werden. Geplant ist, dass bereits im nächsten Jahrzehnt zwischen einem Sechstel und einem Drittel des Energieverbrauchs in Aachen durch Wasserstoff gedeckt wird. Verglichen mit derzeit nicht einmal einem Prozent.