Startups: Weniger Gründungen, mehr Kapital
Laut einem aktuellen Startup-Report ist die Zahl gegründeter Startups zuletzt gesunken. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat Aachen im Städtevergleich Plätze verloren. Wie schätzen Akteure der lokalen Gründungsförderung die Entwicklung ein?
Von Alexander Plitsch
Halbjährlich werten der Bundesverband Deutsche Startups und die Datenbank startupdetector das deutsche Gründungsgeschehen aus. Ihr Report für das vergangene Jahr zeigt, dass die Zahl der neu gegründeten Startups im zweiten Jahr in Folge gesunken ist und dass kleinere, insbesondere forschungsintensive Standorte gegenüber den großen Metropolen wie Berlin, München und Hamburg aufholen.
Letztere Aussage hört man sicher auch in Aachen gern. Allerdings ist die Kaiserstadt im Städtevergleich des Reports von Platz 4 auf Platz 8 gefallen – und liegt damit hinter anderen Hochschulstädten wie Darmstadt, Karlsruhe und Heidelberg. Gewertet wurde dabei die Zahl der Startup-Gründungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl.
Wir haben den Report zum Anlass genommen, uns bei Akteuren der Gründungsförderung in der Region Aachen umzuhören: Wie schätzen sie die Zahlen ein? Beobachten auch sie einen Rückgang der Gründungen? Und mit welchen Instrumenten kann dagegengehalten werden?
Der Report bezieht sich laut Angaben der Autoren auf Zahlen, die die Datenbank startupdetector erhebt und die auf den Eintragungen im Handelsregister beruhen. Christian Laudenberg, Geschäftsführer der GründerRegion Aachen, zeigt sich zunächst skeptisch aufgrund dieser Datengrundlage: „Uns liegen bislang keine offiziellen belastbaren Zahlen vor, nach denen die Zahl der Startups 2023 in der Region überproportional zurückgegangen ist.”
Zudem benenne der Report eben keine absoluten Zahlen, sondern nur das Verhältnis von Einwohnern zu Neugründungen. Laudenberg: „Es könnte also auch sein, dass die Zahl der Einwohner sich erhöht hat und dabei vielleicht der Anteil derer, die nicht gründen dürfen oder können, etwa Geflüchtete. Aber auch das lässt sich noch nicht mit seriösen Zahlen belegen.”
Ein Hinweis für die rückläufigen Zahlen ist der Rückgang neuer Startup-Mitgliedschaften im digitalHUB um 20 Prozent. „Insofern können wir das Ergebnis der Studie nachvollziehen”, sagt Geschäftsführerin Iris Wilhelmi. „Wir stellen aber auch fest, dass 2023 die Bewilligung für das Gründungsstipendium.NRW um 75 Prozent gestiegen ist, was für uns ein Indiz für qualitativ hochwertige Gründungen ist.”
Zudem sei die Summe des eingesammelten Kapitals der Startups aus der Region im vergangenen Jahr um 75 Prozent auf rund 50 Millionen Euro gestiegen, was ebenfalls für die Qualität der Aachener Gründungen spreche.
Genau wie Iris Wilhelmi betont auch das Kommunikationsteam der RWTH Innovation GmbH den besonderen Fokus der hiesigen Startup-Szene auf den „Deep Tech“-Bereich. Der technische Schwerpunkt der RWTH in Forschung und Lehre spiegele sich auch im Wissenstransfer in Form von Deep Tech-Innovationen wider. Diese hätten ein enormes disruptives Potential und könnten Industrie und Gesellschaft nachhaltig verändern.
Ein Ökosystem über Grenzen hinweg
Bei der Frage nach den Maßnahmen und Instrumenten, um sinkenden Gründungszahlen entgegenzuwirken, betonen alle Befragten die Wichtigkeit des regionalen Ökosystems. Aus Sicht von Christian Laudenberg muss es auch darum gehen, die vielen Angebote sichtbar und insbesondere auch im digitalen Kontext besser auffindbar zu machen.
Das Ökosystem müsse noch stärker über Grenzen hinweg ausgebaut werden, meint Iris Wilhelmi: „Nur so können ausreichende Netzwerkeffekte und Sichtbarkeit erreicht werden. Hierzu werden wir in diesem Jahr gemeinsam mit unseren Partnern die Startup Week Aachen bewusst euregional ausrichten und die Partner aus den Niederlanden und Belgien noch mehr involvieren.”
Eine weitere Stellschraube sieht Iris Wilhelmi darin, ländliche und urbane Räume besser zu verbinden: „Das machen wir unter anderem beim Matching von Startups mit regionalen Unternehmen. Die Ergebnisse des Berichts bestärken uns darin, diesen Austausch kontinuierlich weiter voranzutreiben.“
Weitere Potenziale könne man erschließen, wenn noch mehr Frauen für das Gründen begeistert und auf diesem Weg unterstützt würden.
Die Gründung selbst ist natürlich nur der Beginn – auch im Anschluss benötigen Nachwuchsunternehmen Unterstützung. Um die in Aachen gegründeten Startups langfristig zu binden, sei es deshalb auch wichtig, eine gute Infrastruktur mit flexiblen und kostengünstigen Gewerbeflächen für schnell wachsende Unternehmen bereitzustellen, sagt Iris Wilhelmi. „Außerdem müssen wir den Lebensraum in der Region attraktiv gestalten, um qualifizierte Fachkräfte anzulocken und zu halten.“