Verkehrspolitik: Stadtrat lässt Bürgerbegehren nicht zu
Unter dem Motto „Mobile Vernunft” hat eine Initiative in den vergangenen Monaten ein Bürgerbegehren vorbereitet. Das Ziel: die aus Sicht der Initiative autofeindliche Verkehrspolitik der grün-roten Ratsmehrheit und der Stadtverwaltung unter Sibylle Keupen auszubremsen. Der Stadtrat hat das Bürgerbegehren nun aus formellen Gründen nicht zugelassen.
Von Alexander Plitsch
Zweieinhalb Stunden dauerte die aufgeheizte Debatte am Mittwochabend im Aachener Stadtrat. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der Verwaltung auf Ablehnung der Zulassung des Bürgerbegehrens aus rechtlichen Gründen. Zu den drei von der Initiative „Mobile Vernunft” eingereichten Forderungen (siehe unten) für ein Bürgerbegehren hatte die Verwaltung zuvor ein Gutachten erstellen lassen.
Die Gutachterin, eine auf Verwaltungsrecht spezialisierte Juristin aus Münster, begründete ihre Empfehlung auf Nicht-Zulassung auch noch mal vor dem Stadtrat. Unter diesem Beitrag haben wir die wichtigsten Argumente aus dem Gutachten zusammengefasst.
Die abschließende Abstimmung zeigte, dass die Fraktionen das Thema nicht allein juristisch betrachteten bei ihrer Entscheidung. Denn während Grüne, SPD, Linke und Die Zukunft der Empfehlung von Verwaltung und Gutachterin folgten, stimmten die Fraktionen von CDU, FDP und AfD dagegen.
Das Gutachten sei politisch motiviert, so ein Vorwurf. Peter Blum, mobilitätspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte im Anschluss im Gespräch mit yonu: „Wir wollen doch die Bürger zu Wort kommen lassen. Diese Initiative wurde jetzt einfach abgewiegelt, so kommt es einem vor.”
Anders stellen es Mitglieder der Mehrheitsfraktionen dar, etwa in den sozialen Medien. Hans-Josef Pilgram von den Grünen schreibt in einer Erklärung, der Rat hätte sich auf sehr dünnes juristisches Eis begeben, hätte er ein unabhängiges, fundiertes Rechtsgutachten missachtet und das Bürgerbegehren zugelassen.
Hans-Dieter Schaffrath als Sprecher der „Mobilen Vernunft“ kündigte an, Klage gegen die Entscheidung einreichen zu wollen.
Die Forderungen der Initiative
1. Die derzeitige Leistungsfähigkeit der Radialen (Ein- und Ausfallstraßen) Roermonder-,
Krefelder-, Jülicher-, Lütticher-, Eupener-, Vaalser-, Monschauer- und Trierer
Straße, bis zu ihrem jeweiligen Ende, für den MIV (motorisierten Individualverkehr)
erhalten.
2. Keine zusätzlichen als die bisher umgesetzten und beschlossenen Unterbrechungen
des Graben- und Alleenrings und keine Schleifenlösungen.
3. Unverzügliche Öffnung von Templergraben und Annuntiatenbach
Zur Begründung:
Zu 1: Die Radialen, welche sich in der Straßenbaulastträgerschaft der Stadt Aachen befinden, sind für eine schnelle und zielorientierte Erreichbarkeit der Innenstadt von zentraler Bedeutung. Eine Einschränkung der Spuren des MIV, sei es durch Wegnahme einer Spur (bei 4 Spuren) oder durch Verengung zugunsten des Radverkehrs oder des ÖPNV würde zu erheblichen Staus führen.
Zu 2 + 3: Durch weitere Unterbrechungen des Graben- und Alleenringes bzw. durch Schleifenlösungen (Punkt 4 des Konzepts „Innenstadtmorgen Ziele für die Mobilität“) kommt es in den angrenzenden Straßen zu mehr Verkehrsaufkommen mit längeren Fahrzeiten und -Strecken mit der Folge einer erhöhten CO2-Belastung. Darüber hinaus entstehen unzumutbare Belastungen für Handwerker, Unternehmen mit Filialbetrieb, Lieferdienste, Pflegedienste und sonstige Dienstleistungserbringer. Ergebnis könnte sein, dass die Erbringung von Dienstleistungen abgelehnt wird oder nur gegen Aufpreis erfolgt.“
Die wichtigsten Gründe zur Ablehnung im Gutachten
Unbestimmtheit der Fragestellung:
Die Forderungen 1 und 2 sind nicht hinreichend bestimmt und nicht auf eine konkrete Sachentscheidung gerichtet. Beispielsweise ist unklar, was genau unter „Leistungsfähigkeit der Radialen” und „Schleifenlösungen” zu verstehen ist.
Koppelungsverbot:
Die Verbindung der Forderung 1 mit den Forderungen 2 und 3 in einem Bürgerbegehren verstößt gegen das Koppelungsverbot. Diese Forderungen betreffen verschiedene Themenfelder ohne inneren Zusammenhang und bilden keine einheitliche Angelegenheit.
Unzureichende Begründung:
Die Begründung des Bürgerbegehrens enthält fehlerhafte Informationen und lässt wesentliche Entscheidungsgrundlagen aus. Dies betrifft alle drei Forderungen. Die Unterzeichner erhalten somit keine ausreichenden Informationen.
Ausschlussgrund gemäß Gemeindeordnung:
Die Forderung 1 betrifft einen Gegenstand, der nach § 26 Abs. 5 Nr. 4 GO NRW vom Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens ausgenommen ist, da es sich um eine Angelegenheit handelt, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens entschieden werden muss.
Aufgrund dieser Mängel empfiehlt das Gutachten, das Bürgerbegehren insgesamt für unzulässig zu erklären.