Bürokratie und Menschlichkeit

Published On: 19/12/2023

In Zeiten digitaler Terminvereinbarung sind die Schlangen vor dem Ausländeramt weniger lang – doch Probleme mit den Terminen gibt es teilweise noch, wie unsere Crowd-Recherche gezeigt hat. Hinzu kommen Beschwerden über den Umgang vor Ort im Amt.

 

Von Raquel Barros Fialho

„Unsere Willkommenskultur beginnt im Ausländeramt“, habe ich in meinem ersten Beitrag für yonu geschrieben. Schließlich dient das Amt als eine Art Haupteingang für Ausländer*innen. Es bildet nicht nur den ersten Kontakt mit bürokratischen Strukturen, sondern prägt auch das Gefühl des Willkommen-Seins und der Unterstützung.

Ein neues Leben im Ausland zu beginnen, kann aufregend und abenteuerlich sein, birgt aber zugleich eine Vielzahl bürokratischer Hürden. In Deutschland obliegt dem Ausländeramt die Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes. Es fungiert als erste Anlaufstelle für Neuankömmlinge und für Menschen, die dauerhaft oder vorübergehend in Deutschland bleiben möchten. Eine Vielzahl an Regelungen und Ausnahmen machen dieses Themengebiet komplex und führen zu einem hohen Zeitaufwand bei der Bearbeitung von Fällen.

Überzeugt davon, dass eine positive und unterstützende Erfahrung beim Ausländeramt dazu beiträgt, dass sich Menschen willkommen und respektiert fühlen, wollten wir wissen, wie Menschen ihre aktuellen Erfahrungen mit dem Amt einschätzen. Per Crowd-Recherche haben wir dazu aufgerufen, uns Erfahrungsberichte zu schicken.

Terminprobleme werden zu Existenzproblemen

In den vergangenen Jahren haben sich häufig lange Schlangen vor dem Ausländeramt in der Hackländerstraße in Aachen gebildet. Menschen warteten stundenlang, ohne ein geordnetes System. Die Wartebereiche waren chaotisch, ohne klare Strukturen oder Nummernsystem.
Unsere Crowd-Recherche bestätigt, dass sich das geändert hat. Inzwischen werden Termine online vereinbart, was die Warteschlangen vor Ort reduziert hat. Es entsteht jedoch eine neue „digitale Wartezeit“. Betroffene schildern, dass sie teilweise stunden- oder tagelang damit verbringen, online einen Termin zu ergattern – ohne Garantie auf Erfolg.

Für manche kann dies zur existenziellen Angelegenheit werden, denn ohne gültige Aufenthaltserlaubnis dürfen sie nicht in Deutschland sein, nicht arbeiten, nicht studieren. Arbeitgeber verlangen oft die Vorlage dieser Erlaubnis. Die Unsicherheit erzeugt täglichen Druck und Angst.

Jenseits der Bürokratie braucht es Empathie

Nach erfolgreicher Terminvereinbarung erwartete einige Betroffene eine weitere Überraschung: Der erste Termin wurde nicht zur Besprechung der jeweiligen Angelegenheit genutzt, sondern nur zur Überprüfung und Abgabe von Unterlagen. Für das eigentliche Gespräch wurde sodann ein weiterer Termin vereinbart.

Unsere Recherche spiegelt die Überlastung des Systems wider, über die in den vergangenen Jahren schon viel berichtet wurde. Insbesondere die Kombination aus Fachkräftemangel und der steigenden Zahl aufgenommener Flüchtlinge hat die Situation weiter erschwert.

Darüber hinaus berichten uns Menschen von Problemen bei der Kommunikation mit den Sachbearbeiter*innen. Neben positiven Erfahrungen ist von Unhöflichkeit bis hin zu Diskriminierung alles dabei.

Die Schaffung einer Willkommenskultur im Ausländeramt geht also über Service und Effizienz hinaus. Es braucht Empathie, Verständnis und einen respektvollen Umgang mit den individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen, mit denen Ausländer*innen konfrontiert sind. Es geht darum, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln und den ersten Schritt für eine erfolgreiche Integration zu legen.

Durch eine solide Willkommenskultur im Ausländeramt können nicht nur Barrieren abgebaut, sondern auch die Integration und Teilhabe von Neuankömmlingen im Land gefördert werden. Sie ist ein Schlüssel zur Schaffung eines positiven Umfelds, das nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch die Vielfalt und das soziale Gefüge des Landes insgesamt bereichert.

Wie schätzen die Verantwortlichen in der Verwaltung unsere Überlegungen und Recherche ein? Was sind Lösungsansätze und woran wird schon gearbeitet? Zu diesen und weiteren Fragen suchen wir im nächsten Schritt das Gespräch mit dem Ausländeramt.

Foto: Jorik van Genuchten / AStA RWTH